Offener Brief an Politik, Kultur & Presse im Allgäu

Immenstadt, den 10. August 2018

Liebe Allgäuer,

wir, das Europazentrum, ein internationales Projekt des Diamantweg- Buddhismus, sind seit 2007 hier im Allgäu zu Hause. Und: Wir fühlen uns wohl. In mehr als zehn Jahren haben wir sehr viele Beziehungen auf unterschiedlichsten Ebenen aufgebaut – ob privat, geschäftlich, in Vereinen oder als Nachbar. Man kennt sich. Es sind viele Freundschaften entstanden. Umso mehr sind wir betroffen, geradezu entsetzt, dass aufgrund schlecht recherchierter und einseitig geschriebener Zeitungsartikel Fragen über unsere Integrität auftauchen und Buddhisten leider erste Diskriminierungen erfahren. Plötzlich werden wir in eine politische Ecke gedrängt, zum Teil sehr extrem.

In der jüngsten Berichterstattung wurden Zitate von unserem buddhistischen Lehrer Lama Ole Nydahl aus dem Zusammenhang gerissen und somit sinnverfälscht veröffentlicht. Ebenfalls wurden wichtige Teile einer Stellungnahme unsererseits unterschlagen. Den zuständigen Redakteuren wurde schriftlich die Aussage von Lama Ole Nydahl mitgeteilt, dass im Gegensatz zu einem Textabschnitt in dem Zeitungsartikel „Mittel, mit denen man seine Ziele verfolgt, nicht egal seien. Sie sollten angemessen sein und sich an Grund- und Menschenrechte orientieren.“

Als Buddhistisches Zentrum verfolgen wir keine politischen Ziele. Das Europazentrum ist ein internationaler Treffpunkt, an dem sich jedes Jahr zum Sommerkurs Buddhisten aus der ganzen Welt treffen. Es geht uns um die Vermittlung der buddhistischen Lehre, gemeinsame Meditation und den Austausch mit Freunden.

Wir sind keine Mönche und Nonnen, sondern eine bunte Mischung aus Menschen, die voll im Leben stehen – mit Beruf, Familie und auch unterschiedlichen Meinungen. Was uns gemein ist: Wir stehen für unsere demokratischen Grundrechte ein. Meinungsfreiheit, solange sie auf der Grundlage unseres Grundgesetzes beruht, ist uns deshalb wichtig.

So steht es jedem Bürger in Demokratien frei, auf Menschenrechtsverletzungen durch die Scharia hinzuweisen und den politischen Islam zu kritisieren. Dies gilt selbstverständlich auch für einen buddhistischen Lehrer oder Buddhisten. Wir finden es also nachvollziehbar, wenn Lama Ole Nydahl am Rande einer seiner Vorträge sich dementsprechend äußert. Dies steht in keiner Hinsicht im Gegensatz zu den buddhistischen Werten. So liegt auch eine vergleichende Bewertung totalitärer Systeme innerhalb der freien Meinungsäußerung.

Dazu sagt Lama Ole Nydahl: „Als Buddhist kann man nicht anders als ein ehrlicher Humanist zu sein. Man darf kritisieren, aber das Gewaltmonopol in Deutschland hat nur der Staat. Es genügt völlig, wenn sich alle, die hier leben, gleich welcher Religion, an die geltenden Gesetze halten. Natürlich will ich als Lama keine Gewalt und meine tüchtigen Schüler und Freunde sollen einfach meditieren.“

Völlig unverständlich ist für uns deshalb, dass durch die aktuellen Zeitungsartikel unterschwellig suggeriert wird, es könnte eine Verbindung zwischen islamkritischen Äußerungen und einer Mitgliedschaft in traditionellen Allgäuer Schützenvereinen bestehen.

“Zum Besten aller Wesen”. So beginnt jeder Buddhist seine Meditation im Europazentrum. Das war auch in einer Schlagzeile der Allgäuer Zeitung noch kürzlich zu lesen. Und das stimmt. Wir Buddhisten meditieren auf Liebe und Mitgefühl. Menschen persönlich auszugrenzen, generell zu verurteilen, ist mit unseren Überzeugungen deshalb nicht vereinbar. Um es deutlich zu machen: Rassismus wie auch Rechtsradikalismus und buddhistische Werte schließen sich aus und haben bei uns keinen Platz.

Auf dem diesjährigen Sommerkurs hatten wir Lama Jigme Rinpoche, den Generalsekretär von Thaye Dorje, seiner Heiligkeit dem 17. Gyalwa Karmapa, zu Besuch. Er dankte Lama Ole Nydahl ausdrücklich dafür, dass er sich unermüdlich an die Wünsche des 16. Gyalwa Karmapa Rangjung Rigpe Dorje halte, der ihm vor mehr als 45 Jahren den Auftrag gegeben hatte, den Buddhismus im Westen zu lehren. Rinpoche unterstrich bei seinem Besuch vor rund 3000 Zuhörern,„dass die von Lama Ole Nydahl gelehrte Auswahl buddhistischerMethoden der Karma Kagyü Linie aus seiner Sicht perfekt für denWesten geeignet“ sei.

Gut Hochreute ist für den internationalen Diamantweg-Buddhismus ein Zuhause geworden. Von Anfang an ist uns der Dialog mit Ihnen, den Menschen vor Ort, den Allgäuern, sehr wichtig gewesen. Viele von Ihnen kennen uns – einige sehr gut, für manche scheinen wir noch exotisch, was durch die jüngsten Zeitungsberichte leider zu Gerüchten und Unsicherheiten führt. Für uns ist es wichtig, dass Sie wissen: Wir wollen weiterhin an unseren guten Verbindungen mit Ihnen festhalten, sind offen und wollen Sie kennenlernen. Machen Sie sich Ihr eigenes Bild von uns!

Um sich im persönlichen Gespräch besser kennenzulernen, freuen wir uns, Sie in der zweiten Septemberhälfte zu uns auf Gut Hochreute einzuladen. Dazu werden wir nach dem Sommerkurs noch eine gesonderte Einladung verschicken. Wenn das Wetter passt auch mit „Schweinsbratwürstchen vom Grill“. Natürlich vom Allgäuer Biobauern von nebenan.

Die Bewohner und Freunde des Europazentrums